Hilde Fässler
Motto: „Mach nicht halt – lauf gegen Gewalt!“
8 Etappen / 8 Tage: So steht es auf der Informationsbroschüre zum Nordseelauf. Gehört habe ich von diesem Etappen-Rennen letzten Herbst durch einen Artikel im Fit for Life. Das wär doch was für mich, habe ich mir gedacht, ein Etappen-Lauf mit Streckenlängen, die leicht zu bewältigen scheinen, nämlich zwischen 5.6 und 12.3 km. Und so fuhren Peter und ich Richtung ostfriesische Küste nach Bensersiel. Das sind leider rund 1000 km. Wer wie ich das Gesamtpaket gebucht hat, braucht sich um nichts zu kümmern. Man wohnt im Hotel und wird von dort mit Bussen und allenfalls auf Fähren zu den Startorten geführt und danach wieder sicher nach Hause gebracht. Für Duschen ist überall gesorgt, meist in grossen öffentlichen Bädern. Das Frühstück im Hotel ist dem Bedarf von Läuferinnen und Läufern angepasst und bei späten Startzeiten ist auch für Teigwaren-Verpflegung über Mittag gesorgt. Überhaupt: Die Organisation war ausgezeichnet.
Was man mitbringen muss neben mindestens drei Paar Laufschuhen und viel Laufbekleidung ist Geduld und Gelassenheit. Ebbe und Flut sorgen nämlich dafür, dass man bei den Inselläufen oft lange auf den Start warten muss. Das ist aber eigentlich kein Problem, denn man findet sofort Gesprächspartner zum Fachsimpeln oder für einen internationalen Austausch, denn die Teilnehmerschar ist bunt gemischt bezüglich Alter, Nationalität, Können und Ambitionen.
Die 8 Etappenorte ändern jedes Jahr. Ausgewählt wird aus einem guten Dutzend Strecken auf dem Festland und auf den 8 Nordsee-Inseln. Immer mit dabei als krönender Abschluss ist der Lauf übers Wattenmeer von der Insel Neuwerk ans Festland nach Cuxhaven.
Das 2013er-Menu hiess: 1. Greetsiel, 11.8km – 2. Insel Borkum, 11.6km – 3. Butjadingen, 12.2km – 4. Wangerland, 5.6km – 5. Neuharlingersiel, 7.0km – 6. Insel Langeoog, 10.4km – 7. Otterndorf, 10.0km – 8. Neuwerk-Cuxhaven, 12.3km. Also total 80.9km. Die Etappen 4 und 5 fanden am selben Tag statt, dafür war der Folgetag ein Ruhetag. Da jede Etappe auch ein eigener Lauf ist, variierte die Teilnehmerzahl. Wir waren rund 450 Tourläufer und Tourwalkerinnen, die Teilnehmerzahl bei den verschiedenen Läufen lag zwischen 600 und 1000.
Bei Wind und Regen im Ziel in Otterndorf
Besonders schön ist der „Promenadenlauf“ auf Borkum. Die Runde führt über Sandstrand, durch Dünengebüsch, an Schafweiden vorbei und über die Kurpromenade im Ort Borkum.
Vor dem Start auf Borkum: Der „Nordsee-Chor“ in Aktion
Die speziellste Strecke ist natürlich der abschliessende Wattlauf. Hier schnürt man am besten ein paar ganz alte Laufschuhe, die man danach wegwerfen kann. Den Algengeruch bringt man auch mit der Waschmaschine nicht mehr aus den Schuhen. Gut eignen sich auch die neuen Barfuss-Schuhe. Wegen der Muschelbänke sollte man aber auf keinen Fall barfuss laufen. Petrus meinte es dieses Jahr nicht besonders gut mit uns Läuferinnen und Läufern. Nachdem der Tag eigentlich recht sonnig war, schickte er uns eine Stunde vor dem Start starken Wind und Regen, die erst bei der Siegerehrung aufhörten. Der Regen sorgte für sehr viel Wasser auf der Laufstrecke. Diese wurde erst im Laufe des Tages dank der Ebbe sichtbar. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, dort laufen zu wollen, wo man wenige Stunden vorher mit dem Schiff unterwegs war. Um 18 Uhr war es dann aber so weit, der Startschuss zur letzten Etappe wurde abgefeuert. Die ersten paar hundert Meter läuft man auf einer leicht schiefen Wiese, dann biegt man aufs Meer ab. Der Wattboden ist schwarz und fast überall hart. Dieses Mal lag aber überall Wasser, zwischen 2 und 40cm (!) hoch. Die sogenannten Priele waren sehr ausgeprägt und das Laufen über mehrere Meter im knietiefen Wasser war sehr anstrengend. An die dauernd nassen Füsse musste ich mich schnell gewöhnen, Pfützen auszuweichen, war sinnlos. Die letzten etwa fünf Kilometer verlaufen parallel zur Küste. Da hoffte ich auf weniger Wasser. Aber weit gefehlt, der allerletzte Kilometer brachte sogar noch eine sehr anstrengende Überraschung. Der Boden war da nämlich nicht mehr hart, sondern ausgesprochen matschig. Die Veranstalter hatten uns gesagt, wir sollten die Schuhe gut binden, um sie nicht im Pflutsch zu verlieren. Ich hatte bei jedem Schritt das Gefühl, es ziehe mir jetzt dann einen Schuh aus. Aber ich schaffte es im Gegensatz zu ein paar anderen in beiden Schuhen ans Festland, wo dann noch die 50 Meter bis ins Ziel im tiefen Sand zurückzulegen waren. Doch das Glücksgefühl im Ziel, das ich es geschafft hatte, liess sich nicht durch Kleinigkeiten wie „panierte“ Schuhe und Socken und schwarzgespritzte Beine und Arme aufhalten. Mein Geburtstag 2013 - das war nämlich der 22. Juni - wird mir sicher immer in besonderer Erinnerung bleiben
Der 81. Kilometer
Die erste Etappe lief mir sehr gut, vielleicht sogar zu gut. In der zweiten hörte ich nach gut 4km einen Knall aus meinem linken Oberschenkel, begleitet von einem stechenden Schmerz. Es stellte sich heraus, dass ich einen leichten Muskelfaserriss erlitten hatte. Das zwang mich zuerst zum Stillstehen und dann zum Spazieren. Nach einigen Minuten versuchte ich ein leichtes Jogging und kam dann so doch noch ins Ziel. Der Tourarzt legte mir ein Tape und einen Verband an und empfahl mir, es am nächsten Tag ganz vorsichtig zu versuchen. Das machte ich dann auch, denn die Vorstellung, das Rennen, auf das ich mich seit Monaten gefreut hatte, aufgeben zu müssen, trieb mir fast die Tränen in die Augen. Die Etappen 3 bis 8 habe ich dann alle sehr „vernünftig“ begonnen und konnte gegen Ende jeweils sogar das Tempo noch etwas steigern. So stand ich den Nordseelauf gut durch, natürlich mit immer schwerer werdenden Beinen, aber ohne einen Einbruch und landete auf Rang 3 bei den Tourläuferinnen der Kategorie W60.
Die Stimmung war bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer gut – Wetter hin oder her. Dafür sorgten auch die Organisatoren und vor allem der Moderator Dom (Dominik). Seine Sprüche vor dem Start, beim Zieleinlauf, an den Siegerehrungen und bei der Tombola waren einfach grosse Klasse.
Gewonnen wurde der Nordseelauf bei den Männern von Björn Kuttich aus Offenbach und bei den Frauen von Sonja Vogt aus Dortmund. Beide haben auch alle 8 Einzeletappen gewonnen. Hut ab!
Siegerzeit Männer: |
4h39‘29‘ |
Siegerinzeit Frauen: |
5h29‘05‘‘ |
Meine Gesamtzeit: |
8h09‘08‘ |
Die Siegerin Sonja Vogt und ich im Ziel in Cuxhaven
‹ Zur Liste