Its an
experience, not a race!
Von Hilde Fässler, 26.4.12
Der Boston-Marathon gehört zu den ältesten Marathon-Läufen weltweit.
Nach der tollen Erfahrung am New York-Marathon im November 2010 dachte
ich mir, ich könnte mich ja mal noch an den anderen berühmten
US-Marathon wagen. Nachdem es mir gelungen war, Cornelia zum Mitkommen
zu überreden, war der Entschluss zu einem Start bereits Anfang 2011
gefasst. Ich ergatterte mir mit meiner Zeit von New York die
Qualifikation und fand auch einen Startplatz für Cornelia. Diese Plätze
sind sehr rar: Während die Schweizer Reiseveranstalter für New York
mehrere Hundert Plätze anbieten können, sind es für Boston nur etwa ein
Dutzend.
Der Boston-Marathon findet immer am dritten Montag im April statt. Dann
wird in Boston und Umgebung der Patriots Day gefeiert. So flogen
Cornelia und ich am 14. April Richtung USA, um dann am 16. an den Start
zu gehen. Was ich anfangs 2011 geplant hatte, konnte ich leider im
Training 2012 nicht umsetzen. Meine Achillessehne plagte mich ja schon
seit Monaten und liess ein gutes Training nicht zu. Zudem dämpften mich
die Medikamente nach meinem Herzeingriff im Januar. Aber man kann ja
auch über den Grossen Teich fliegen, um als Zuschauerin einen Marathon
zu verfolgen, dachte ich mir. An Absage der Reise verschwendete ich
keinen Gedanken, denn ich könnte ja Cornelia als Supporterin
unterstützen, war meine Überlegung. Da ich in den letzten vier Wochen
doch wieder eine Stunde und mehr laufen konnte, legte ich mir im Kopf
zurecht, an den Start zu gehen, um die Atmosphäre zu erleben und in der
Rennhälfte dann auszusteigen.
Schon im Vorfeld schaute ich immer wieder die Wettervorhersage für den
Renntag an. Zuerst war von 23o die Rede. Na ja, etwas warm, aber nicht
schlecht. In Boston angekommen hiess es dann schon 28o, am Tag vor dem
Lauf lautete die Prognose auf über 30o. Die Organisatoren verlängerten
daraufhin die Schliesszeit von 6 auf 7 Stunden und boten den
Qualifizierten an, sie auch 2013 an den Start zu lassen, wenn ihnen die
Temperatur zu warm erschien. Das kam aus verständlichen Gründen für
viele aus dem Ausland Angereiste und so auch für Cornelia und mich
nicht in Frage. Zudem gaben die Organisatoren als Devise heraus: Viel
trinken, den Schatten suchen (war allerdings schwierig), das Tempo
anpassen, kurz: Its an experience, not a race! Nehmt es als
Erfahrung, nicht als Rennen.
Montag, Renntag: 90oFahrenheit, das entspricht 32oCelsius!
Resultat: 4000 starteten nicht, rund 900 gaben auf, rund 170 landeten
im Spital und 21606 kamen innerhalb der 7 Stunden ins Ziel.
Die Strecke geht von Hopkinton, einem Dorf 42km ausserhalb von Boston
über Landstrassen immer geteert nach Boston downtown. Auch wenn der
Kurs insgesamt abwärts geht, ist er doch ziemlich coupiert und hat
nicht nur beim Heartbreak-Hill einige Steigungen. Ausser dort, wo man
einem See, dem Lake Cochituate entlang läuft, ist die Strecke eher
langweilig. Abwechslung bieten einige Stellen mit speziellen Zuschauern
oder besser Zuschauerinnen. Beim Mädchenkollege von Wellesley stehen
nämlich reihenweise kreischende junge Frauen am Rand, die die Läufer
mit selbstgemalten Schildern mit der Aufforderung Kiss me auf Abwege
bringen wollen. In Boston selbst hat es dann auch richtig viele
Zuschauer, die einen anfeuern, auch noch auf den letzten Metern und
auch jene, die 7 Stunden unterwegs waren.
Und was machten die beiden Lauf-Treff BUCHS Vertreterinnen? Mit
Aufhören in der Hälfte wurde nichts. Cornelia motivierte mich zum
Weitermachen. 13 Meilen sind allerdings sehr weit, wenn man schon total
ausgepumpt und von der Sonne leicht geröstet ist. Ich schaffte es ins
Ziel mit Marschieren und leichtem Traben, wenn es abwärts ging.
Cornelia hatte natürlich noch viel Reserven und Zeit zum Fotografieren,
Spässe machen und bei Meile 23 für einen Einkauf im 7-Eleven-Shop.
Die beiden Coke-Flaschen, die sie dort für uns einkaufte, retteten mich
schliesslich ins Ziel: Meile 26.2 in 5h3811.
So wurde der Lauf zu einem einmaligen Erlebnis. Nie habe ich so viel
Wasser und Gatorade getrunken, nie habe ich jeden Wasserschlauch und
jedes Duschzelt zur Abkühlung benutzt, noch nie einen solchen
Sonnenbrand eingefangen und nie hätte ich gedacht, das Ziel zu
erreichen mit fast 2000 Leuten noch hinter mir. Übrigens, die
Siegerzeit war mit 2h12 neun Minuten langsamer als im Vorjahr. Und
niemand hat wohl einen persönlichen Rekord laufen können. Für viele wie
für Cornelia und mich war es ein Erlebnis, kein Rennen.
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