Bericht von Verena Eggenberger
Der 9. Reschenseelauf, ausgetragen am 3. August 2008, ist bereits wieder Geschichte – eine Geschichte allerdings, die noch lange in den Köpfen und vor allem in den Herzen der Teilnehmer nachwirkt und in bester Erinnerung bleibt.
Waren bei der 1. Austragung noch knapp 150 Teilnehmer, konnten die Organisatoren dieses Jahr über 1600 Gemeldete „präsentieren“. Unglaublich – die Teilnehmerzahl steigt und steigt! Eigentlich kein Wunder, denn im Südtirol fühlt man sich sofort zu Hause - ob nun als Tourist oder Sportler!
Hier ein paar Gedanken zu diesem Anlass aus dem Sport-Tagebuch der Schreibenden.
7.00 Uhr: Leichte Nebelschwaden ziehen vom Reschenpass Richtung See, doch der Himmel zeigt sich schon mit blauen Flecken. Kurze Gymnastikrunde im Hotelzimmer vor traumhafter Kulisse, um Muskeln und Geist zu wecken.
7.30 Uhr: Die Bergspitzen leuchten einladend in der Morgensonne zum Gipfelerlebnis, doch heute ist ausnahmsweise “Flachsport“ angesagt!
8.00 Uhr: Frühstück mit Kaisersemmeln, Honig und sogar Kaffee (was mein Magen doch plötzlich alles erträgt!) Zwischen kauen und schlucken gebe ich Mirko, dem Flachland-Jungen aus Deutschland (Handballer), der sich spontan zur Teilnahme am Lauf entschlossen hat, ein paar Tipps und versuche, seine Nervosität etwas zu bremsen.
9.00 Uhr: Ankunft in Graun am See, beim historischen Turm, wo sich Start und Ziel befinden. Und das Kribbeln geht los, noch bevor ich aus dem Auto gestiegen bin. Wie jedes Jahr breitet sich diese ganz spezielle Atmosphäre über dem riesigen „Ameisenhaufen“ von Läufern, Nordic Walkern, Handbikern, Begleitpersonen und Sportinteressierten aus. Wie auf Wolke sieben schwebt wohl jeder Athlet, und das Feuer des Reschenseelaufs lässt niemanden kalt.
9.30 Uhr: Start der Handbiker (Behinderte) – 15,3 km rund um den See. Die Wegbreite auf der ganzen Strecke macht es möglich, auch diese Menschen mit ihrem harten Schicksal ihre Fähigkeiten zeigen zu lassen.
10.00 Uhr: Start der Läufer mit der gleichen Distanz, mit dabei auch Hermann Achmüller aus dem Pustertal (Südtirol), der Regent des Reschenseelaufes. Mit fünf Siegen und drei 2. Plätzen zählt er natürlich zum absoluten Favoritenkreis; und er holt sich die Krone ein weiteres Mal und siegt in sagenhaften 50.09 Min.
Bei den Frauen bleibt die „Goldmedaille“ ebenfalls im eigenen Land, Renate Rungger aus dem Sarntal freut sich über ihren vierten Sieg in einer Zeit von 59.15 Min.
10.05 Uhr: Start der über 100 Nordic Walker – ebenfalls eine ganze Seerunde – jedoch mit etwas weniger Tempo, dafür um so mehr Genusseinlagen. In der dritten Reihe einstehend (ich habe gelernt!) warte ich also auf meinen Sonntagseinsatz. Nicht nur bei den Läufern, auch bei den „Stöcklern“ geht zu Beginn ganz schön die Post ab, doch der erste Kilometer sagt noch nichts aus, die Ausdauer zeigt sich erst zum Schluss. So walke ich also, suche meinen Rhythmus, sobald ich aus dem ärgsten Stockgefecht raus bin und freue mich auf eine sonnige, genussreiche und doch zielorientierte Runde. Bereits nach kurzer Zeit merke ich, dass mich ein Einheimischer verfolgt. Schon der erste Streckenposten stichelt „Hei Robi, lass die Verena nicht ziehn!“ (Mein Name steht auf der Startnummer.) Auch der zweite Offizielle, ein Stück weiter des Weges, spornt meinen Verfolger an: „Gib Gas, Robi!“ Prompt walkt dieser plötzlich neben mir, was ihm aber nicht lange gut bekommt. Ob ihn etwa der frech geschnittene Rücken des Lauf-Treff-Tops mehr entzückt als meine Seitenansicht? Wie dem auch sei, Robi reiht sich wieder hinter mir ein, und so schaffen wir Kilometer um Kilometer, ab und zu von einem Spruch aus dem Publikum bereichert und von bekannten wie auch unbekannten Fans angefeuert.
Während die Strecke auf der hinteren Seite des Sees leichte Berg- und Tal-Schwankungen aufweist und willkommene Rhythmuswechsel bringt, schweift mein Blick immer wieder zu den dominanten Bergen mit den schneebedeckten Spitzen. An einem der kurzen Aufstiege spornt uns eine Gruppe Jugendlicher mit Trommeln, Schellen und lauten Zurufen an. Diese Passage gut gemeistert, höre ich plötzlich den schon bekannten Tenor hinter mir: „Ciao Verena, mach’s no guat, i mog nimmer!“ Wie bitte? Da habe ich mich so an Robis Atem in meinem Nacken gewöhnt, seine Stockschläge tönen wie Musik in meinen Ohren, und da will er plötzlich nicht mehr? Alle meine Motivationsversuche scheitern, Robi kann mein Tempo tatsächlich nicht mehr halten. Schade! Doch die nächsten männlichen Verfolger – die Frauen halten sich zurück - sind nicht weit und schliessen hinter mir auf.
Also, liebe Männer, manchmal werde ich wirklich nicht klug aus euch! Bei Gegenwind sucht ihr den Windschatten hinter 1,58 m Weiblichkeit, sobald sich die störende Brise jedoch verflüchtigt hat, setzt ihr zum Überholen an und zieht vorbei. Gentlemen like! So geschehen nach km 11! Doch kurz darauf motiviert mich ein Speaker zur Aufholjagd auf das sogenannt starke Geschlecht. Nicht ganz so einfach im flachen Gelände mit kurzen Beinen, aber ich tue mein Möglichstes!
12.05 Uhr: Zieleinlauf ohne Robi, dafür mit Josef aus Sargans! Die Welt ist manchmal so klein! Doch was ist mit Robi geschehen? Mit zwei Minuten Verspätung erreicht auch er das Ziel und freut sich über seine tolle Leistung aufgrund der Teilzeit-Pacemakerin. Danach wird das Finisher-Buffet gestürmt, das auch diesmal gleich hinter der Ziellinie aufgebaut ist und mit vielen gesunden Köstlichkeiten lockt.
14.30 Uhr: Bei Pasta, Hähnchen, Kaffee, Kuchen und weiteren Schlemmereien lassen es sich Teilnehmer, Fans und Mitgereiste schmecken und warten gespannt auf die Siegerehrung und Preisverlosung. Dank grosszügigen Sponsoren wartet auch dieses Jahr ein riesiger Gabentisch darauf, geleert zu werden.
19.00 Uhr: Wohlverdientes, feines Nachtessen im Hotel, wo ich Mirko wieder treffe, der seine Laufpremiere erfolgreich ins Ziel gebracht hat. Chapeau!
Ein einmaliges Läuferfest findet seine Fortsetzung nächstes Jahr am 1. August. Als besondere Attraktion zum 10jährigen Bestehen findet ein Nachtlauf statt – Start um 21.00 Uhr - bei Sternenhimmel sicher ein ganz besonderer Reiz.
Mehr Infos: www.reschenseelauf.it
PS: Der Regent des Reschenseelaufes, Hermann Achmüller, ist nun auch König des Jungfrau-Marathons! Fünf Wochen nach seinem Sieg im Vinschgau gewann er diesen harten Wettkampf im Berner Oberland in sagenhaften 3.03.18 Std.!
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